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Religionspädagogik als kontextuelle kritische Theorie religiöser Bildung

Religionspädagogik ist jene Wissenschaft, die religiöse Lernprozesse reflektiert, begleitet und durch ihre Forschungen vorantreiben will. Theorie und Praxis sind dabei untrennbar verbunden. Religiöses Lernen ist ein intellegibler Prozess, ein Prozess, der im Angesicht der Gottesfrage erfährt, entdeckt und denkt. </br>Darum ist dieser Prozess selber ein Ort der Theologie, ein locus theologicus. Den lernenden und lehrenden Subjekten eignet eine theologische Würde. Solche Lernprozesse finden sich vor allem im schulischen Religionsunterricht, aber auch in der Pfarrgemeinde, im Kindergarten, in der Jugendarbeit, in der Familie, der peer group oder auch der Lebenswelt. Der spezifische Ansatz am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Katechetik der RUB zielt auf eine bildungstheoretisch fundierte öffentliche Religionspädagogik im Kontext der Metropolregion Ruhrgebiet. Deren Grundimpuls liegt in dem Verständnis von Theologie als praktische Rede von Gott in dieser Zeit.

Theologie besitzt von daher eine mystisch-politische Ausrichtung sowie eine praktische, alteritätstheoretisch zu fassende Tiefenstruktur. Angesichts dessen wird verständlich, warum Religionspädagogik und Katechetik in dem spannungsvollen Dreischritt von Wahrnehmen, Urteilen, Handeln, von Kairologie, Kriteriologie und Praxeologie konzipiert werden. Humanwissenschaftliche und religionspädagogisch-theologische Ansätze sowie phänomenologische, hermeneutische, ideologiekritische und empirische Zugänge werden kritisch-korrelativ in einem interdisziplinären Horizont aufeinander bezogen.

Religionspädagogik und Katechetik stehen in einem Verhältnis relativer Autonomie. Sie haben Maximen wie Subjektorientierung, Erfahrungsorientierung, lebensbegleitende Biographieorientierung, kritischen Situationsbezug gemeinsam. Sie sind aber unterschieden durch das jeweilige Praxisfeld. Religionspädagogik, verstanden in ihrer Ausrichtung auf den Religionsunterricht der öffentlichen Schule, findet ihren Ort im Bildungsauftrag der Schule. Für diesen Lernort des Glaubens ist die Differenz zwischen Lebensort und Lernort charakteristisch. Der Religionsunterricht zielt auf ein mündiges, gebildetes Urteil im Horizont religiöser Kompetenz. Katechese hingegen ist eine auf den Glauben ausgerichtete, den Glauben vertiefende, in die kirchliche Lebens- und Glaubensgemeinschaft hineinführende partizipative Lernpraxis, die vor allem durch Freiwilligkeit, Situationsbezogenheit und den inneren Konnex von gelebtem, gefeiertem und reflektiertem Glauben geprägt ist. Angezielt wird am Lehrstuhl somit eine bildungstheoretische Fundierung von Religionspädagogik im Lichte der mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet verbundenen spezifischen Bedingungen religiösen Lernens.

Mit den Phänomenen der Pluralisierung, der gesellschaftlichen, technischen und kulturellen Innovation, der Migration und massiven gesellschaftlichen Segregation rücken in besonderer Weise die Fragen nach dem Verhältnis von religiöser Bildung und Moderne, von religiöser Bildung und interreligiösem Lernen, von religiöser Bildung und oikologischem Lernen in den Fokus, die von der Religionspädagogik als einer öffentlichen Theologie in den Wissenschaftsdiskurs eingebracht werden können.