NACH OBEN

Theologie und Robotik – Workshopbeobachtung

18.03.2023

Der Workshop zu Robotik in der religiösen Praxis, der am 16. und 17. März an der Ruhr-Universität Bochum stattfand, konnte aktuelle Fragen im Grenzbereich von systematischer und praktischer Theologie diskutieren.

Bereits im Vorfeld des Workshops war der Gebetsroboter des aus Italien stammenden und in Japan lehrenden Computerwissenschaftlers und Roboteringenieurs Gabriele Trovato in den Räumen der Hochschulseelsorge ausgestellt. Sowohl aus unserer Fakultät als auch aus dem Umfeld von CampusSegen waren interessierte Besucher:innen gekommen, um den Roboter CelesTE auszuprobieren. Der eigentliche Workshop bot dann die Gelegenheit, über den Einsatz neuer Technologien in der religiösen Praxis ins Gespräch zu kommen und neue Konzepte für diesen Bereich zu entwickeln.


Das Interesse an der Installation von CelesTE und der Diskussion über Roboter in religiösen Kontexten war groß. Auf den Call for Papers hin konnte ein Programm mit acht Impulsvorträgen zusammengestellt werden, die sich vier unterschiedlichen Themenbereichen vom Roboterdesign bis hin zur Roboter-Eschatologie widmeten. Die zwei Expertenvorträge von Prof. Gabriele Trovato (Japan) und Prof. Ilona Nord (Würzburg) sowie die gemeinsame Analyse des Roboters CelesTE rundeten das Programm ab. Am Workshop selbst nahmen mehr als zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien teil, die sich aus unterschiedlichen religiösen Kontexten und wissenschaftlichen Disziplinen, von der Theologie über die Neurowissenschaften bis hin zur Informatik, für das Thema interessierten.


Lukas Brand, Dominik Winter und Gabriele Trovato diskutieren über die Funktionen des Gebetsroboters CelesTE
Lupe
Lukas Brand, Dominik Winter und Gabriele Trovato diskutieren über die Funktionen des Gebetsroboters CelesTE
© Fabian Strauch FUNKE Foto Service
Konsequent disziplinübergreifende Perspektive

Der Workshop hat verschiedene Punkte am Grenzbereich von Theologie und Robotik bestätigt und dabei konsequent die interdisziplinäre Perspektive zwischen systematischer und praktischer Theologie eingenommen. Hier sind einige zentrale Beobachtungen zusammengefasst:
Theolog:innen sind im Designprozess von Robotern bisher unterrepräsentiert. Der Workshop bot dennoch die Gelegenheit, neben CelesTE weitere digitale Tools für die religiöse Praxis kennenzulernen und auszuprobieren, die bereits vereinzelt von Theolog:innen entwickelt werden, in der religiösen Praxis zum Einsatz kommen und unmittelbar den Pioniergeist der Teilnehmer:innen fördern konnten. Insgesamt sollten sich Theolog:innen stärker in den Diskurs mit den ingenieurs- und computerwissenschaftlichen Disziplinen einbringen. Insofern diese Disziplinen Kulturgegenstände hervorbringen, beziehen sie sich auch auf religiöse Vorerfahrungen der durch das Design angesprochenen Nutzer:innen. Gleichzeitig zeigt sich an den betrachteten Beispielen deutlich, dass auch religiöse Technik, gerade dann, wenn sie so globale Phänomene wie Überalterung adressiert, durch die Digitalisierung und die Verfügbarkeit der einzelnen technischen Bauteile ohne weiteres auch global zum Einsatz kommen kann und hier an ein deutlich diverses Publikum angepasst werden muss. Dadurch werden die religiösen Eigenwerte des jeweiligen Entstehungsortes und -Kontextes mit den religiösen Erwartungen und Vorurteilen unterschiedlichster Teile der Welt konfrontiert. So wurde etwa CelesTE insbesondere für ältere Menschen entwickelt und in Peru, Polen und Deutschland in ausgewählten Kontexten getestet, die durch tradierte religiöse Symbole und Rituale geprägt sind. An Hand dieser Beispiele wurde deutlich, dass beim Design von KI und sozialer Robotik für religiöse Bereiche alle Länder mit einer alternden Gesellschaft im Blick bleiben müssen und damit nahezu das gesamte Spektrum an Religionen und kirchlichen Traditionen der Welt berücksichtigt werden muss. Für die hier notwendige kulturelle Adaption, so lässt sich in der Gesamtschau des Themas feststellen, sind praktische-theologische, insbesondere religionssoziologische Perspektiven und seelsorgerische Kompetenz gefragt. Die Relevanz der theologischen Perspektive wurde durch die Beobachtung unterstrichen, dass Entwicklungen, die in religiösen Kontexten zum Einsatz kommen könnten, zwar zunächst unabhängig von religiösen Bindungen entstehen (bspw. Avatare in VR zum individuellen Totengedenken) aber offensichtlich ein spirituelles Bedürfnis nach Transzendierung befriedigen sollen, das in existentiellen Extremsituationen wie Tod und Trauer durchaus einer professionellen Begleitung bedarf.

Wirkungen künstlich-spiritueller Begleiter

Insbesondere dort, wo es, wie etwa im Fall von SanTO und CelesTE, um die Entwicklung von Technologie für pastorale Kontexte geht, kommen dadurch pastoralsoziologische und pastoralpsychologische Fragestellungen ins Spiel. Erste Testläufe mit SanTO haben außerdem gezeigt, dass „religiöse“ Geräte durchaus als spirituelle Begleiter wahr- und angenommen werden. Dabei spielt es aber offenbar eine entscheidende Rolle, in welchem Kontext das Gerät eingesetzt wird: Wurde dem Gebetsroboter in säkularen Räumlichkeiten (z.B. im Museum) die Aufmerksamkeit versagt oder dieser sogar beleidigt, ließ sich ein ähnliches Verhalten in Kirchenräumen nicht beobachten. Trotz der Fortschritte in der Entwicklung von Robotern und KI Systemen, die menschliche Aufgaben auch im sozialkaritativen Bereich übernehmen können, sollten aus Sicht der Pastoraltheologie schließlich die Anforderungen nicht übersehen werden, die den Maßstab für das äußerst komplexe Profil von Seelsorger:innen darstellen und auch in Zukunft noch darstellen werden.
Der Einsatz von Robotik zur individuellen liturgischen Gestaltung ruft zugleich eine liturgiewissenschaftliche Perspektive auf: Insofern sich Ingenieure wie Gabriele Trovato bei der Gestaltung ihrer Technologie ausdrücklich auf sakrale Kunst beziehen, kann einerseits die Gebetspraxis neu reflektiert und sollte andererseits das Design theomorpher oder religionspraktischer Maschinen mit den Methoden der Liturgiewissenschaft kontextualisiert werden.
Im interdisziplinären Gespräch wurde vielfach deutlich, dass im Bereich der KI und Robotik in der systematisch-theologischen Perspektive durch den Mensch-Maschine-Vergleich unterschiedliche Kernthemen angesprochen und diskutiert werden müssen, die für die praktisch-theologischen Untersuchungen einen maßgeblichen Rahmen darstellen. So lassen sich an der für die Technik wesentlichen Zweckbindung der Maschine und ihren praktisch an Unsterblichkeit grenzenden Lebenszyklus Fragen nach der ontologischen Unterscheidung vom Menschen deutlich konkreter festmachen, als an Spekulationen über ein mögliches Bewusstsein der Maschine.

Interreligöser Dialog über Maschine und Mensch

Auch in systematisch Theologischer Perspektive hat sich der Workshop den Fragen der religiösen Robotik anderen Religionen zugewandt, die über eigene Erfahrungen mit dem Thema verfügen. Die islamisch-theologische und -philosophische Perspektive war durch zwei Islamwissenschaftler aus Erlangen und Wien vertreten. Berücksichtigt man, dass die technische Entwicklung über einen langen Zeitraum hinweg im islamischen Raum ihre Wurzeln geschlagen hat, bevor sie in das christliche Europa hineingewachsen ist, liegt es nahe, die die islamische Theologie als Gesprächspartner zu suchen. Sie beginnt, wenn auch mit ähnlicher Zurückhaltung wie die christliche Theologie, Roboter und Technik wissenschaftlich zu reflektieren und das Für und Wider eines Einsatzes im religiösen Kontext abzuwägen.
Durch die Interaktion mit smarten technischen Systemen wird der Mensch immer wieder in seiner Selbstwahrnehmung (positiv wie negativ) herausgefordert. Der Religionsunterricht gewinnt dabei als ein Ort der reflektierten Auseinandersetzung mit den existenziellen Fragestellungen in der Identitätsentwicklung junger Menschen an Bedeutung.
Die Auseinandersetzung mit Science-Fiction kann schließlich einen weiteren wichtigen Beitrag für den philosophisch-theologischen Diskurs liefern. Mit der Frage nach einem Himmel für Roboter wird bspw. die soteriologische Fragestellung nach der Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung auf kluge Weise ebenfalls auf die nicht-natürliche Schöpfung des Menschen ausgeweitet, einschließlich der Technik, die den Menschen begleitet, unterstützt oder ihn gar in seinen Fähigkeiten erweitert.
Die Ergebnisse des Workshops sollen in Form eines Sammelbandes aufbereitet werden, der im Laufe des Jahres zur Veröffentlichung vorbereitet werden und 2024 erscheinen soll.

Lukas Brand
(Ruhr-Universität Bochum)

Dominik Winter
(Ruhr-Universität Bochum)

Martin Kutz
(TU Dresden)

Ein- und Rückblicke der Teilnehmer:innnen
  • #nethKI2023 auf Twitter
  • Theonet: Religion and Robotics: Insights from the „Robot, Pray for Me!“ Conference 28. März 2023: The „Robot, Pray for Me!“ conference, held on 16th though 17th March 2023 at Ruhr-University Bochum, explored the complex relationship between robots, theology, and religious practices. This interdisciplinary event brought together scholars to present their research projects, addressing the intersection of religion and robotics. The conference facilitated networking among participants and experts, fostering meaningful conversations on the relationship between humans, machines, and religious practice.


Pressestimmen

Die Ruhr-Universität und das Bistum Essen formulierten eigene Pressemitteilungen zu der Installation von CelesTE und dem Workshop. Unterschiedliche Medien berichteten sowohl im Vorfeld als auch noch im Nachhinein über die Veranstaltung.


Sponsoring

Die Veranstaltung wurde unterstützt durch Mittel der RUB-Research School und der EKD.